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Zackes Textedition 6:
Diese Texte sind rein assoziativ geschrieben. Interpretationen sind natürlich
möglich, haben aber nichts mit meinen Gedanken zu tun. Es ist völlig unwichtig, was ich
mir beim Schreiben gedacht habe.
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03.06.01
Ein teu'rer Sommer:
Die Gourmets lagen bedauernd am Strand und bräunten sich die Zunge. Ein Streik der
Lastwagenfahrer hatte ihr Hotel von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Es war nur noch Mehl
vorrätig, aus unerklärlichen Gründen in riesigen Mengen. Die Getränke drohten
bald auszugehen. So wurde Whisky mit Leitungswasser gestreckt. Aus Mehl und Wasser wurde ein Brei
angerührt. Den gab's zum Frühstück mit Fladen, die ebenfalls aus Mehl und Wasser
bestanden. Kaffee gab es längst keinen mehr. Man reichte das dünne Getränk. Es
sollte ja alles nur noch ein paar Tage dauern.
Vielleicht hätte man mit einem Personenwagen zur nächsten Stadt fahren
können, um was einzukaufen. Oder noch besser, man hätte diesen Ort vorrübergehend
verlassen. Gedanken dieser Art wurden nur gedacht, jedoch nicht verwirklicht, da die Sonne ohne
Unterlaß schien. Es gab keine Nacht, vielleicht hatte sich die Erdachse verschoben.
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03.06.01
Kugelsichere Westen für Amerika:
Niemand kann uns sagen, ob der Sperrbezirk nur aus militärischen Gründen
eingerichtet wurde oder ob hier alles immer noch radioaktiv verseucht ist. Das Rasputin-Werk liegt
eigenartig still da und ist riesig. Am Bahngleis; wird hektisch gearbeitet. Es wird aus- und
eingeladen. Die Lokomotiven sind derart schrottreif, daß sie anfangs nur millimeterweise
vorwärts kommen. Die Last ist zwar viel, aber leicht. Kunststoffspulen, wie sie anderswo
für Kupferlackdraht verwendet werden.
Wenn ein Zug weg ist, kommt der nächste angekrochen und bringt Milch im Tetrapack,
aus der Europäischen Union. Innen, da wo früher Maschinen lärmten, ist es still. Die
Männer drehen gleichmäßig die Spulen in der Halterung. Es sieht genauso aus, als
würden sie Gebetsmühlen drehen. Wenn sie eine Spule voll haben, gehen sie hinaus. Sie
haben jetzt eine Weile frei. Dann setzt sich jemand anderes an ihre Stelle. Vorsichtig betastet er
seine Barthaare und zieht an dem richtigen, bis es immer länger wird. Das Ende fädelt er
durch das seitliche Loch in der Spule und beginnt, diese ganz langsam zu drehen. So wie sich die
Räder der Lokomotiven zu drehen beginnen.
Die Züge beschleunigen stetig. Nach Tagen sind sie schneller, als moderne
Züge. Sie durchqueren das große Land und noch ein paar kleinere, bis sie einen Hafen
erreichen. Von da ist Hongkong beinahe nebenan. Dort werden die Fäden zu dichten Stoffen
verwebt. Diese gehen per Luftfracht an die Ostküste der USA. Raten Sie, was man dort daraus
herstellt!
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03.06.01
Ruinen:
Wenn ein verkommenes Gebäude ungenutzt noch dasteht, ist es ein Schandfleck. Wenn
nicht mehr viel zu sehen ist, erwacht die Fantasie und denkt sich aus, was hier wohl gewesen war.
Darum hat man früher nicht gewartet, bis ein altes Gemäuer einstürzt. Man hat in
Parks neue Ruinen gebaut. Es gab Spezialisten unter den Handwerkern, denen es gelang, etwas zu
errichten, das wie sehr alte Überreste aussah. Dieses Alte gab es so wenig wie das, was sich
unsere Fantasie ausdenkt.
Die meisten Ruinen sind nicht durch Aufbau, sondern durch Zerstörung zustande
gekommen. Sieht man ihnen die Spuren davon noch an, gefallen sie uns nicht. Erst bis nichts mehr an
Schrecken erinnert, bis alle Splitter zu Staub zerfallen sind, bis der Regen alle scharfen Kanten
rund gewaschen hat und bis alles mit Vegetation überwuchert ist, erwachen die erkennbaren
Reste zu Leben.
Als ich noch nicht begriffen hatte, was Krieg ist, wunderte ich mich über ein Haus,
das zwischen den anderen stand. Es bestand nur noch aus Hochparterre. Aus den Fensteröffnungen
quoll Schutt. An manchen Stellen war die Fassade noch völlig intakt. Daß ein Zimmer ganz
mit Sand und Steinen gefüllt sein konnte, faszinierte mich. Vielleicht lag da noch ein Teppich
darunter und es standen noch Möbel drin. An Menschen dachte ich nicht. Wer hält sich
schon in so einem Zimmer auf?
Wenn die Ruinen verschwunden sind, scheint es so, als ob nie irgendetwas verschwunden
wäre. Selbst wenn wir alte Bilder sehen, oder in einem Buch darüber lesen, läßt
uns das, was nicht mehr ist, meist kalt. Wir verlieren ständig unsere eigene Vergangenheit,
was kümmert uns die von anderen Leuten? Wer wird an uns denken?
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04.06.01
Ambient (Nach einer alten
Idee):
Auf einem rötlichen Sand liegen durchsichtige Pflastersteine. In
regelmäßigen Abständen stehen Lampenpfahle. Die Lichtkegel erhellen die endlose
Fläche gleichmäßig. Von fern sehen sie wie Zelte aus. Geräusche gibt es nicht.
Du hast nur eine Vorstellung davon, wie Deine Schritte auf solchem Grund klingen
müßten.
Die Weite ist mit Schritten nicht zu messen. Vielleicht reicht sie nie über den
Blick hinaus. Es ist hier nicht nur absolut still, die Vorstellung eines Ortes macht keinen Sinn,
weil es hier an jeder Stelle gleich aussieht. Kaum entdeckst Du ein Dir neues Detail an einem der
Masten, siehtst Du das selbe sofort an allen. Als ob sie alle aus einer Gußform kämen.
Dies gilt auch für die gläsernen Steine. Sie sehen leicht verschrammt aus. Auch sie sind
alle gleich.
Du orientierst Dich an den Reihen der Masten. Du zweifelst, ob es hier Richtungen gibt.
Nach einer Weile biegst Du links ab. Als Du versuchst, diagonal zwischen den Pfählen zu gehen,
ordnen sich diese sofort neu. Hier geht es immer nur gerade aus.
Du erkennst einen schwachen, dunklen Punkt in der Ferne. Als Du davor stehst, ist es ein
ziemlich schnell aussehender metallic-dunkelroter Sportwagen. Die Türen lassen sich
öffnen, drinnen riecht es nach neuem Kunststoff, der Zündschlüssel steckt. Es gibt
sogar einen CD-Wechsler, allerdings nur mit Kopfhörern. Du hörst irgend etwas neues von
Lynyrd Skynyrd. Paßt zu so einem Auto. Danach steigst Du aus. So ein Teil wolltest Du noch nie
haben, eher ein Wohnmobil, in dem man essen und schlafen kann und mit Anschluß an's Internet.
Irgendwann ist der Punkt wieder nicht mehr zu erkennen.
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04.06.01
Der Steinmacher:
Der Steinmacher wohnt im Gebirge, wo würde er besser hinpassen. Früher hatte
er ein Haus in einer Kleinstadt gemietet und wurde belächelt. Die Leute erzählten von
ihm, er sammele Steine und zwar ganz normale, langweilige. Das stimmte natürlich nicht, obwohl
das ganze Haus voll von solchen Steinen war. Zuerst waren sie nicht größer als ein
Zentimeter und hätten zur Not als Kies für Aquarien verwendet werden können. Als
immer größer werdende Brocken in den Räumen rumstanden, zog er irgendwann weg.
Auf dem alten Berghof, besuchen ihn ab und zu Bekannte. Sie bleiben gerne ein paar Tage,
weil es hier so schön ist. Niemand kommt jedoch wieder. Vielleicht liegt das an den vielen
kleinen Steinen, die überall rumliegen. Sogar auf Tischen und Stühlen. Manchmal sammeln
die Gäste diese in einem Eimer, der zufällig neben der Tür steht, und kippen ihn
draußen aus.
Weil noch niemand wieder kam, sieht niemand wie sich die Landschaft verändert.
Manche Gipfel scheinen sich zu drehen und zu heben. Man könnte stattdessen sagen, so sind die
Berge eben gewachsen. Wenn jemand fragen täte, würde er antworten: Es gibt noch einiges
zu tun, doch dieses Massiv dort, das ist neu.
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